Veröffentlicht am März 15, 2024

Die psychische Regeneration im Leipziger Auwald ist kein Zufall, sondern ein gezielter neurobiologischer Prozess, der Stress messbar reduziert.

  • Schon 20 Minuten langsames Gehen senken das Stresshormon Cortisol signifikant, dank biochemischer Botenstoffe der Bäume (Phytonzide).
  • Die Art des Aufenthalts (langsames Schlendern vs. Joggen) entscheidet über die Aktivierung des regenerativen Nervensystems (Parasympathikus).

Empfehlung: Nutzen Sie den Wald wie ein Therapeutikum: mit einer klaren „Natur-Dosis“ und achtsamer Sinneswahrnehmung statt leistungsorientiertem Sport.

Inmitten des urbanen Treibens von Leipzig, wo Termindruck und ständige Erreichbarkeit den Alltag bestimmen, wächst die Sehnsucht nach einem wirksamen Gegenpol. Viele stressgeplagte Berufstätige und Burnout-Gefährdete spüren instinktiv, dass die Antwort nicht in noch mehr Leistung, sondern in echter Erholung liegt. Der gängige Ratschlag, „einfach mal an die frische Luft zu gehen“, fühlt sich oft wie ein Tropfen auf den heißen Stein an. Selbst sportliche Aktivitäten im Grünen können den mentalen Akku nicht immer aufladen, wenn der Geist weiterhin auf Hochtouren läuft.

Doch was, wenn der Leipziger Auwald mehr ist als nur eine Kulisse für die Joggingrunde? Was, wenn er eine Art Freiluft-Praxis für die Seele sein kann? Die moderne Ökopsychologie und zahlreiche Studien belegen: Ein Waldaufenthalt, richtig gestaltet, ist keine simple Freizeitaktivität, sondern eine gezielte therapeutische Intervention. Der Schlüssel liegt nicht darin, *dass* wir in den Wald gehen, sondern *wie*. Es geht um das bewusste Eintauchen in die Waldatmosphäre, eine Praxis, die auf messbaren neurobiologischen Prozessen beruht.

Die wahre Magie entfaltet sich, wenn wir die leistungsorientierte Brille absetzen und den Wald nicht als Trainingsstrecke, sondern als Partner für unsere Regeneration begreifen. Statt Kilometer zu zählen, lernen wir, die sensorischen Signale der Natur – die Düfte, die Geräusche, das Lichtspiel der Blätter – wie eine Medizin aufzunehmen. Aber wie lässt sich dieser Ansatz konkret in einen vollgepackten Alltag integrieren? Und welche wissenschaftlichen Mechanismen stecken wirklich dahinter?

Dieser Artikel ist Ihr naturtherapeutischer Leitfaden. Er übersetzt die wissenschaftlichen Erkenntnisse in praktische, für den Leipziger Auwald maßgeschneiderte Strategien. Sie werden entdecken, wie Sie den Wald als wirksames Instrument für Ihre psychische Gesundheit nutzen können, weit über einen gewöhnlichen Spaziergang hinaus.

Um Ihnen einen klaren Überblick über die gezielte Nutzung des Waldes für Ihre mentale Gesundheit zu geben, haben wir diesen Leitfaden in übersichtliche Abschnitte gegliedert. Das Inhaltsverzeichnis führt Sie durch die wissenschaftlichen Grundlagen bis hin zu konkreten Anwendungsplänen für Ihren Alltag in Leipzig.

Warum reduziert ein 2-Stunden-Waldaufenthalt Cortisol um 30% effektiver als Stadtparks?

Die Antwort liegt in der einzigartigen biochemischen und sensorischen Dichte eines intakten Waldökosystems wie dem Leipziger Auwald. Im Gegensatz zu einem städtischen Park, der oft nur eine visuelle Grünkulisse bietet, ist der Wald eine aktive Quelle heilsamer Reize. Der entscheidende Faktor sind die sogenannten Phytonzide. Das sind flüchtige organische Verbindungen, die Bäume und Pflanzen ausströmen, um sich vor Schädlingen zu schützen. Wenn wir diese Moleküle über die Atemluft aufnehmen, interagieren sie direkt mit unserem Körper. Sie stärken nicht nur nachweislich unser Immunsystem, sondern wirken auch direkt auf unser Nervensystem.

Eine Vergleichsstudie verdeutlicht diesen Unterschied eindrücklich: Während das Stresshormon Cortisol im Speichel von Probanden nach einem Aufenthalt in städtischer Umgebung unverändert blieb, war es bei der Waldgruppe signifikant reduziert. Gleichzeitig nahm die positive Stimmung in der Stadtgruppe um rund ein Viertel ab, während sie bei den Waldgängern stabil blieb. Dies zeigt, dass der Wald nicht nur Stress aktiv abbaut, sondern auch die mentale Stabilität schützt. Der Grund dafür ist eine tiefgreifende Parasympathikus-Aktivierung – jener Teil unseres Nervensystems, der für Ruhe, Verdauung und Regeneration zuständig ist.

Die komplexen Strukturen des Waldes – das vielschichtige Blätterdach, die unregelmäßigen Muster der Rinde, das leise Rascheln im Unterholz – fesseln unsere Aufmerksamkeit auf eine sanfte, unaufdringliche Weise (sogenannte „weiche Faszination“). Dies entlastet den präfrontalen Kortex, den für Planung und Problemlösung zuständigen Teil unseres Gehirns, der bei chronischem Stress permanent überlastet ist. Eine Studie der Universität Michigan bestätigt, dass schon eine tägliche „Natur-Dosis“ von 20 Minuten den Cortisol-Spiegel deutlich senkt. Es zeigt sich, dass bereits täglich 20 Minuten Waldbaden den Cortisol-Spiegel um 21% senken.

Wie integrieren Sie wöchentliche Auwald-Aufenthalte in einen 50-Stunden-Arbeitswoche?

Für Berufstätige mit hohem Stresslevel scheint der Gedanke an regelmäßige, mehrstündige Waldaufenthalte oft unrealistisch. Die gute Nachricht aus der Forschung ist jedoch: Nicht die Dauer, sondern die Regelmäßigkeit und die Qualität des Naturkontakts sind entscheidend. Es geht darum, die „Natur-Pille“ in kleinen, aber wirksamen Dosen zu sich zu nehmen. Der Schlüssel liegt in der strategischen Integration von Mikro-Auszeiten in den Arbeitsalltag, anstatt auf das eine große Erholungserlebnis am Wochenende zu warten.

Berufstätiger findet Erholung während einer Mittagspause im Leipziger Auwald

Betrachten Sie den Auwald nicht als weit entferntes Ausflugsziel, sondern als eine erreichbare Ressource für Ihre Mittagspause oder den Feierabend. Selbst ein 20- bis 30-minütiger Aufenthalt kann ausreichen, um das Stresssystem herunterzuregulieren. Der Trick besteht darin, diese kurzen Aufenthalte als festen, nicht verhandelbaren Termin im Kalender zu blocken – genau wie ein wichtiges Meeting. Es geht darum, eine Routine zu etablieren, die so selbstverständlich wird wie das morgendliche Zähneputzen.

Hier sind einige praktische Strategien, um die heilsame Wirkung des Auwalds auch in einer vollen Arbeitswoche zu nutzen:

  • Mikro-Waldbaden: Nutzen Sie die Mittagspause für einen 20-minütigen, bewussten Spaziergang im nächstgelegenen Teil des Auwalds. Schon kurze Naturmomente, wie das Sitzen an einem Bach oder das Betrachten eines Baumes, wirken entspannend.
  • Flexible Zeiteinteilung: Bestimmen Sie Tag, Dauer und Ort Ihres Naturerlebnisses selbst, damit es zu Ihrem Lebensstil passt. Es muss nicht immer der zweistündige Marsch sein. Ein kurzer Abstecher auf dem Heimweg kann ebenso wirksam sein.
  • Stressfaktoren minimieren: Lassen Sie das Smartphone in der Tasche. Vermeiden Sie sportliche Übungen oder intensive Gespräche. Der Waldaufenthalt dient der reinen sensorischen Immersion, nicht der Leistung.
  • Tageslicht nutzen: Wenn möglich, legen Sie Ihre Naturpause in die Mittagszeit, um zusätzlich vom Tageslicht zu profitieren, was die Produktion des Glückshormons Serotonin anregt.

Shinrin-Yoku-Kurs oder eigene Waldgänge: Was bei diagnostiziertem Burnout?

Bei einem diagnostizierten Burnout-Syndrom oder schweren chronischen Stresszuständen reicht der gut gemeinte Vorsatz, „öfter in den Wald zu gehen“, oft nicht aus. Die Betroffenen sind häufig in einem Zustand mentaler und körperlicher Erschöpfung gefangen, der es schwer macht, neue, heilsame Routinen selbstständig zu etablieren. An diesem Punkt kann ein angeleiteter Shinrin-Yoku-Kurs (japanisch für „Waldbaden“) den entscheidenden Unterschied machen. Während ein eigener Waldgang Flexibilität bietet, liefert ein Kurs die notwendige Struktur, Anleitung und Verbindlichkeit.

Ein zertifizierter Kursleiter für Waldbaden fungiert als Therapeut und Übersetzer. Er oder sie führt die Teilnehmer durch gezielte Achtsamkeits- und Wahrnehmungsübungen, die helfen, aus dem Gedankenkarussell auszusteigen und die Sinne für die Waldatmosphäre zu öffnen. Dies ist besonders wichtig, da Burnout-Patienten oft den Kontakt zu ihrem eigenen Körper und ihren Bedürfnissen verloren haben. Die Anleitung hilft, diesen Kontakt behutsam wiederherzustellen. Die positive Wirkung ist wissenschaftlich untermauert, wie der führende japanische Forscher Professor Yoshifumi Miyazaki erklärt:

Shinrin Yoku hat positive Effekte auf Blutdruck, Herzfrequenz, höhere Aktivität des Parasympathikus, Senkung der Aktivität des Sympathikus sowie Verringerung der Konzentration des Stresshormons Cortisol im Blut.

– Professor Yoshifumi Miyazaki, Führender japanischer Waldtherapie-Forscher

Für Menschen mit diagnostiziertem Burnout ist daher ein angeleiteter Kurs oft die bessere Erstwahl. Die Gruppe schafft ein Gefühl der Sicherheit und des gemeinsamen Erlebens. Ein entscheidender Vorteil in Deutschland ist zudem die finanzielle Unterstützung: Viele zertifizierte Präventionskurse im Bereich Stressmanagement, zu denen auch Waldbaden gehören kann, werden von den gesetzlichen Krankenkassen bezuschusst. Laut der gesetzlichen Regelung nach §20 SGB V werden in der Regel 80-100% der Kosten für zertifizierte Präventionskurse übernommen, oft für bis zu zwei Kurse pro Jahr. Dies senkt die Hürde erheblich und unterstreicht den anerkannten therapeutischen Wert der Methode. Eigene Waldgänge können dann im Anschluss eine wunderbare Möglichkeit sein, das Gelernte zu vertiefen und selbstständig fortzuführen.

Warum verpuffen 60% der Stressreduktionseffekte, wenn man im Wald joggt statt geht?

Diese auf den ersten Blick verblüffende Aussage hat einen klaren neurobiologischen Hintergrund. Der entscheidende Unterschied zwischen Joggen und langsamem, achtsamem Gehen (Schlendern) liegt in der Art und Weise, wie unser Gehirn und Nervensystem auf die Umgebung reagieren. Beim Joggen befindet sich der Körper in einem Zustand der Leistung und Anstrengung. Das sympathische Nervensystem, zuständig für „Kampf oder Flucht“, ist aktiviert. Der Fokus liegt auf der Strecke, dem Tempo und der körperlichen Anstrengung. Für die subtilen, heilsamen Signale des Waldes bleibt kaum kognitive oder sensorische Kapazität.

Beim langsamen Schlendern hingegen schalten wir in den Modus der Regeneration um. Erst hier kann der Parasympathikus, unser „Ruhenerv“, die Führung übernehmen. Dieser Zustand ist die Voraussetzung dafür, die volle therapeutische Wirkung des Waldes aufzunehmen. Wie die Forschung zeigt, werden beim bewussten Einatmen der Waldluft die heilsamen Phytonzide aufgenommen. Diese Moleküle lösen im Körper eine Kaskade von Reaktionen aus: Sie senken den Blutdruck, reduzieren die Aktivität im präfrontalen Kortex (unserem „Sorgen-Zentrum“) und verringern die Konzentration des Stresshormons Cortisol. Beim schnellen Laufen ist die Atmung zu flach und der Fokus zu stark auf Leistung gerichtet, um diesen Effekt voll auszuschöpfen.

Der Schlüssel zur maximalen Stressreduktion liegt also darin, den Wald nicht als Sportgerät, sondern als Erfahrungsraum zu nutzen. Es geht darum, vom „Tun“-Modus in den „Sein“-Modus zu wechseln. Die folgenden Praktiken helfen dabei, den regenerativen Effekt zu maximieren:

  • Schlendern ohne Ziel und Druck: Gehen Sie langsam und gemütlich, idealerweise ohne festes Ziel oder Zeitlimit. Erlauben Sie sich, einfach umherzustreifen.
  • Pausen einlegen: Halten Sie an Orten an, die Sie ansprechen. Setzen Sie sich auf einen Baumstamm, lehnen Sie sich an einen Baum und schließen Sie die Augen.
  • Achtsam wahrnehmen: Erleben Sie bewusst, was Sie umgibt, ohne Leistungsdruck. Staunen Sie über Farben, Gerüche und Geräusche des Waldes. Folgen Sie einem Schmetterling mit den Augen oder lauschen Sie dem Gesang eines Vogels.
  • Atemübungen: Finden Sie einen schönen Platz, um zur Ruhe zu kommen. Konzentrieren Sie sich auf Ihren Atem. Atmen Sie tief durch die Nase ein und langsam durch den Mund wieder aus.

Wann sollten Sie den Auwald für mentale Gesundheit besuchen: Im grünen Sommer oder kahlen Winter?

Viele Menschen verbinden Walderholung instinktiv mit dem satten Grün des Sommers. Doch aus naturtherapeutischer Sicht hat jede Jahreszeit ihre eigene, einzigartige Qualität und kann spezifische psychologische Bedürfnisse ansprechen. Die Entscheidung, wann man den Auwald besucht, sollte weniger vom Wetter als von der gewünschten mentalen Wirkung abhängen. Der Wechsel der Jahreszeiten bietet uns ein wunderbares Spektrum an unterschiedlichen Atmosphären, die wir gezielt für unsere seelische Balance nutzen können.

Meditierende Person im kahlen winterlichen Auwald findet innere Ruhe

Der grüne Sommer steht für Fülle und Lebensfreude. In dieser Zeit ist die Ausschüttung der heilsamen Phytonzide am höchsten, und das dichte Blätterdach schafft eine schützende, höhlenartige Atmosphäre. Im Gegensatz dazu bietet der kahle Winter eine ganz andere Qualität: die der Klarheit, Stille und Resilienz. Ohne das Laub ist der Blick frei, die Strukturen der Bäume treten hervor und der Wald wirkt stiller, fast meditativ. Diese visuelle Reizreduktion kann für einen überlasteten Geist eine enorme Entlastung sein. Es ist eine Einladung, den Blick nach innen zu richten und die eigene Widerstandsfähigkeit zu spüren. Die folgende Tabelle fasst die spezifischen psychologischen Nutzen der vier Jahreszeiten im Auwald zusammen.

Saisonale Vorteile des Waldbadens für die mentale Gesundheit
Jahreszeit Psychologischer Nutzen Besondere Merkmale
Winter Klarheit, Stille, Resilienz Tiefere Stille ohne Laubrascheln, weniger Besucher, visuelle Reizreduktion
Frühling Hoffnung, neue Energie Blüte des Bärlauchs, Erwachen der Natur
Sommer Fülle, Lebensfreude Maximale Phytonzid-Ausschüttung, dichtes Blätterdach
Herbst Loslassen, Akzeptanz des Wandels Fallende Blätter, bunte Farben, Vergänglichkeitsakzeptanz

Warum reichen bereits 15 Minuten im Stadtgrün, um Herzfrequenz messbar zu senken?

Die bemerkenswert schnelle Wirkung selbst kurzer Aufenthalte im Grünen, sei es im Auwald oder einem kleineren Leipziger Park wie dem Johannapark, ist direkt auf die Funktionsweise unseres autonomen Nervensystems zurückzuführen. Sobald wir eine natürliche Umgebung betreten, beginnt unser Gehirn, eine Fülle von nicht-bedrohlichen, komplexen Reizen zu verarbeiten: das Zwitschern von Vögeln, der Geruch von feuchter Erde, das Spiel von Licht und Schatten. Diese vielfältigen Sinneseindrücke aktivieren unmittelbar den Parasympathikus, den Teil unseres Nervensystems, der für Erholung und Regeneration auf Zellebene verantwortlich ist.

Diese Aktivierung löst eine physiologische Kettenreaktion aus, die fast sofort messbar ist. Die Herzfrequenz sinkt, der Blutdruck reguliert sich nach unten, und die Herzfrequenzvariabilität – ein Indikator für die Anpassungsfähigkeit unseres Stresssystems – verbessert sich. Gleichzeitig sinkt die Produktion der Stresshormone Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin. Es ist, als würde unser Körper einen Schalter von „Anspannung“ auf „Entspannung“ umlegen. Die Forschungsergebnisse der Universität Michigan belegen, dass schon 20 Minuten Naturerlebnis den Cortisol-Spiegel deutlich senken, wobei der größte Effekt bei einer Dauer von 20 bis 30 Minuten eintritt.

Diese schnelle Reaktion macht deutlich, warum regelmäßige kurze „Natur-Dosen“ so effektiv sind. Sie unterbrechen den Kreislauf der chronischen Stressaktivierung. Anstatt darauf zu warten, dass sich Stress über den Tag ansammelt, wirken diese kurzen Auszeiten wie ein regelmäßiger Reset-Knopf. Für gestresste Berufstätige bedeutet das: Eine 15-minütige Mittagspause im nächstgelegenen Grün ist keine verlorene Zeit, sondern eine hocheffiziente Investition in die kognitive Leistungsfähigkeit und das seelische Wohlbefinden für den Rest des Tages.

Wie strukturieren Sie 7 Tage mit je 30 Minuten für körperlich-mentale Balance?

Um die heilsame Wirkung der Natur nachhaltig in den Alltag zu integrieren, empfiehlt sich ein strukturierter Wochenplan. Das Ziel ist es, die sensorische Immersion zu trainieren, indem man sich jeden Tag bewusst auf einen anderen Sinn konzentriert. Dies hilft, aus der mentalen Routine auszubrechen und die Umgebung jedes Mal neu und frisch wahrzunehmen. Die Vielfalt der Leipziger Grünflächen bietet dafür ideale Bedingungen. Ein solcher Plan verwandelt die täglichen 30 Minuten von einer Pflichtübung in eine Entdeckungsreise.

Für Anfänger ist es ratsam, zu Beginn längere Einheiten von etwa zwei Stunden einzuplanen, um die grundlegenden Prinzipien des Waldbadens zu verinnerlichen. Später genügen oft schon kurze Pausen, um den regenerativen Effekt abzurufen. Der folgende Plan ist ein Vorschlag, der speziell auf die Gegebenheiten in Leipzig zugeschnitten ist und leicht an Ihre persönlichen Vorlieben und Ihren Wohnort angepasst werden kann. Er dient als Inspiration, um die tägliche halbe Stunde mit Intention und Fokus zu füllen.

Ihr 7-Tage-Achtsamkeitsplan für Leipzig

  1. Montag (Fokus Hören): Besuchen Sie den Auwald-Süd. Schließen Sie die Augen und konzentrieren Sie sich ausschließlich auf die Geräusche: das Plätschern der Pleiße, die verschiedenen Vogelstimmen, das Rascheln der Blätter im Wind.
  2. Dienstag (Fokus Sehen): Gehen Sie in den Johannapark. Beobachten Sie bewusst die verschiedenen Grüntöne, die Formen der Wolken und das Spiel von Licht und Schatten auf den Wiesen.
  3. Mittwoch (Fokus Fühlen): Erkunden Sie den Südfriedhof. Berühren Sie die raue Rinde alter Bäume, spüren Sie den Wind auf Ihrer Haut oder die Kühle eines Steins.
  4. Donnerstag (Fokus Riechen): Spazieren Sie durch den Lene-Voigt-Park. Versuchen Sie, die verschiedenen Düfte wahrzunehmen – frisch gemähtes Gras, die Blüten der Saison, feuchte Erde nach einem Regen.
  5. Freitag (Fokus Wasser): Meditieren Sie am Elsterflutbett im Auwald-Nord. Beobachten Sie die Bewegung des Wassers und lauschen Sie seinem Geräusch.
  6. Samstag (Freie Erkundung): Gehen Sie ohne Plan in Ihren liebsten Grünbereich. Lassen Sie sich von Ihrer Intuition leiten und entdecken Sie, was Sie an diesem Tag besonders anzieht.
  7. Sonntag (Integration): Setzen Sie sich für 10 Minuten an ein offenes Fenster oder auf Ihren Balkon. Versuchen Sie, alle Sinne gleichzeitig zu aktivieren und die Natur aus der Ferne wahrzunehmen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gezielte Waldaufenthalte sind eine wissenschaftlich validierte Methode zur Stressreduktion, keine esoterische Praxis.
  • Die Wirksamkeit hängt von der Methode ab: Langsames, achtsames Gehen ist Joggen zur mentalen Regeneration überlegen.
  • Schon kurze, regelmäßige „Natur-Dosen“ (15-30 Minuten) in städtischen Grünflächen zeigen messbare physiologische Effekte.

Wie können Gestresste kleinräumige Grünflächen für regelmäßige Kurzauszeiten nutzen?

Nicht jeder hat den Leipziger Auwald direkt vor der Haustür. Doch das Prinzip der naturtherapeutischen Regeneration lässt sich auch im Kleinen anwenden. Der Schlüssel liegt darin, den Blick zu schärfen und die Natur auch in kleinsten urbanen Oasen zu entdecken und wertzuschätzen. Ein einzelner Baum auf einem Hinterhof, eine begrünte Fassade oder sogar eine Topfpflanze auf dem Schreibtisch können zu Ankern der Achtsamkeit und zu Quellen der Erholung werden, wenn wir ihnen mit der richtigen Haltung begegnen.

Es geht um die bewusste Entscheidung, den Fokus von der grauen, von Menschen geschaffenen Umgebung auf die lebendigen, natürlichen Elemente zu lenken. Anstatt an einem Park vorbeizueilen, nehmen Sie sich fünf Minuten Zeit, um die Textur der Baumrinde zu fühlen oder das Muster der Blätter zu betrachten. Diese Praxis des „Micro-Naturkontakts“ unterbricht den Alltagsstress und aktiviert dieselben beruhigenden Mechanismen im Gehirn wie ein längerer Waldaufenthalt, wenn auch in geringerem Maße.

Stadtbewohner findet Ruhe in kleiner grüner Oase in Leipzig

Wenn selbst der Gang zum nächsten Park nicht möglich ist, gibt es wirksame Alternativen. Die Forschung zeigt, dass bereits der Anblick von Naturbildern eine entspannende Wirkung haben kann. Ein qualitativ hochwertiges Waldfoto an der Wand, idealerweise eines, das mit einer eigenen positiven Erinnerung verknüpft ist, kann körperliche Reaktionen auslösen, die denen eines echten Waldaufenthalts ähneln. Ebenso wirksam sind Naturgeräusche. Eine kurze Pause, in der Sie mit Kopfhörern dem Rauschen von Blättern oder Vogelgezwitscher lauschen, kann helfen, den Kopf freizubekommen und das Stresslevel zu senken. Es geht darum, bewusste Inseln der Natur in den digitalen und urbanen Alltag zu integrieren.

Beginnen Sie noch heute damit, diese Prinzipien anzuwenden. Ihr nächster Spaziergang – und sei er noch so kurz – kann der erste Schritt zu Ihrer bewussten psychischen Regeneration sein.

Häufig gestellte Fragen zur Auwald-Therapie

Brauche ich eine spezielle Ausrüstung für tägliches Waldbaden?

Nein, eine spezielle Ausrüstung braucht man für das Waldbaden nicht. Wichtig sind bequeme, dem Wetter angepasste Kleidung und festes Schuhwerk. Eine Sitzunterlage kann für Pausen angenehm sein, ist aber nicht zwingend erforderlich.

Wie lange sollte eine Waldbaden-Session mindestens dauern?

Eine klassische Shinrin-Yoku-Einheit dauert in der Regel zwischen zwei und vier Stunden, um eine tiefe Entspannung zu ermöglichen. Für die regelmäßige Stressprophylaxe im Alltag zeigen Studien jedoch, dass bereits Aufenthalte von 20 bis 30 Minuten signifikant positive Effekte auf das Stresshormon Cortisol haben.

Was ist der Unterschied zwischen Waldspaziergang und Waldbaden?

Während ein Waldspaziergang oft ein Ziel hat und in einem zügigen Tempo erfolgt, ist Waldbaden ein ziel- und absichtsloses Schlendern. Der Fokus liegt nicht auf der zurückgelegten Strecke, sondern auf dem bewussten Wahrnehmen der Waldatmosphäre mit allen Sinnen. Es geht darum, langsam zu sein und eine Verbindung zur Natur aufzubauen, anstatt nur durch sie hindurchzugehen.

Geschrieben von Anna Schneider, Anna Schneider ist Fachärztin für Öffentliches Gesundheitswesen mit 16 Jahren Erfahrung im deutschen Gesundheitssystem. Sie arbeitet als Leiterin einer Beratungsstelle für Prävention und Gesundheitsförderung in Leipzig und ist Dozentin für Gesundheitsmanagement an der Universität Leipzig.